Martina Hefter

»Hey guten Morgen, wie geht es dir?«

19:30

»Sie hatte über einen Meter lange Beine. Eines davon war jetzt mit einem Zeichen bestickt. Truth. Ein Zeichen, dass es wahr war. Sie, Juno, gab es.«

Auf den ersten Blick verläuft Junos Leben in engen Kreisen. Sie pflegt ihren schwerkranken Mann Jupiter, geht ins Ballettstudio, kauft Pizzazungen und schreibt Anträge, um ihre prekäre Existenz als Performancekünstlerin zu sichern. Noch 23 Jahre bleiben Juno auf dieser Erde, statistisch gesehen. Doch auch wenn sie es sich dort irgendwie eingerichtet hat: Immer wieder kommt es ihr vor, als wäre sie nur die Rolle ihrer selbst.

Und dann gibt es Benu, den Love-Scammer aus Nigeria, der Juno unter falscher Identität Liebesnachrichten schreibt, um irgendwann Geld von ihr einzufordern. Es ist ein Spiel, das Juno längst durchschaut hat und zunächst mitspielt, bis sie Benu schließlich doch enttarnt. Dennoch schreiben sich die beiden weiter, teilen Belanglosigkeiten, Essenspläne, Gedichte. Sie telefonieren per Video-Call, oft mehrere Stunden. Sie scheinen einander zu brauchen - aber wofür eigentlich?

In Hey guten Morgen, wie geht es dir? entfaltet Martina Hefter mit erstaunlicher Leichtigkeit die einzelnen Schichten in einem Leben, das von Enge, Abwesenheit und Abhängigkeiten geprägt ist - und all diesen Härten trotzt: mit Imagination. Jedes Flimmern an den Rändern der Dinge, die Juno erfindet, deuten das Potenzial einer Traumwelt an: die Möglichkeit, dass sich das geordnete Leben für Neues, für Aufregendes öffnet. Und die Möglichkeit, dass auch das mehr und mehr zur Illusion wird, was früher als eine gesicherte Realität erschien.

Moderation: Björn Jager

Martina Hefter
© Maximilian Gödecke

Martina Hefter, geboren 1965, lebt in Leipzig. Sie studierte dort am Deutschen Literaturinstitut, und arbeitet seitdem als Performancekünstlerin und Schriftstellerin. 2001 debütierte sie mit Ihrem Roman Junge Hunde; es folgten Zurück auf Los, Die Küsten der Berge und mit Nach den Diskotheken Hefters erster Lyrikband. Zudem entwickelte sie dramatische und performative Arbeiten, so etwa Linn Meier (†2019) und zuletzt Soft War am Schauspiel Leipzig. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen, darunter der Große Preis des Deutschen Literaturfonds und der Literaturpreis der Landeshauptstadt Wiesbaden, ausgezeichnet. Als Gastdozentin lehrte sie regelmäßig am Literaturinstitut Leipzig.