Michael Lentz
© Victor Pattyn

Bettina-Brentano-Preis für Gegenwartslyrik

Der Bettina-Brentano-Preis für Gegenwartslyrik 2024 geht an Michael Lentz

Der Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Musiker Michael Lentz erhält den in diesem Jahr erstmals vergebenen und mit 10.000 Euro dotierten Bettina-Brentano-Preis für Gegenwartslyrik. Ausgezeichnet wird er für seinen 2023 erschienenen Gedichtband Chora sowie sein bisheriges Gesamtwerk. 

In der Jurybegründung heißt es: »Wie vielleicht kein zweiter Gedichtband der letzten Jahre summiert Chora die Möglichkeiten der zeitgenössischen Lyrik: Mit ungeheurer Lust an der Sektion von Sprache und Erfindungswillen bei ihrer Neukonfiguration kreist der Band von Michael Lentz um nichts weniger als alles, was zwischen die Buchstützen aus Geburt und Tod passt. In Chora versammelt Lentz all die ästhetischen Mittel sowie die inhaltlichen Kernmotive seines Werks: existenzielles Sprachspiel, formvollendetes Anagramm, die Schönheit des Lebens, den Verlustschmerz im Angesicht des Todes und das ewige Bleiben der Literatur.

Wo Lentz‘ Prosawerk gezielt aus autobiografischen Reservoirs schöpft, tritt die Ich-Vergangenheit in den Gedichten immer wieder zurück und schafft somit Raum für eine zärtliche Hinwendung zur Welt in ihrer Gesamtheit sowie zu dem, was diese Welt für Menschen konstituiert: ihre Versprachlichung. Ausgehend von Lentz‘ nachhaltigem Interesse an den verschiedensten Dichtungstraditionen von Barock bis Moderne, von klassischen Formen wie dem Sonett bis hin zur konkreten Poesie, schafft er ein lyrisches Werk, das gleichzeitig eine neue Welt entwirft und die historischen Wurzeln der heutigen freilegt. Weil ein Querschnitt durch die Literaturgeschichte stets auch ein Querschnitt durch die Sprache und ihre Möglichkeiten ist, ist Chora von all jenen Registern durchzogen, die Michael Lentz beeinflussen: Die Texte klingen nach der Sprache unserer Gegenwart, und doch finden sich immer Anklänge an die Musik der von Lentz bewunderten Romantik genauso wie an das, was der Autor mit seiner üblichen Ironie bezeichnet als »rheinische Sprachaufhängung«: Behutsam und doch markant lässt der Lautpoet Lentz die Einflüsse der Sprachfärbung seiner Herkunftsregion auch in seiner Lyrik zum Vorschein kommen und führt das große Ganze mit dem vereinzelten Subjekt der Gedichte zusammen. So fällt der Sprache bei Michael Lentz eine Funktion zu, die über ihren Charakter als von historischen Markierungen durchwirktes Medium hinausweist: Sie ist ein existenzielles Klanginstrument, das Lentz seit Jahrzehnten wie kaum ein deutschsprachiger Lyriker zu spielen weiß.«

 

Über den Preisträger:

Michael Lentz, 1964 in Düren geboren, lebt und arbeitet als Schriftsteller sowie Professor für Literarisches Schreiben in Berlin und Leipzig. Für seine Erzählung »Muttersterben« erhielt er 2001 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Die Veröffentlichung des gleichnamigen Bandes im selben Jahr markierte schließlich auch den Durchbruch bei der Literaturkritik.

Es folgten u.a. die Romane Pazifik Exil (2007), Schattenfroh. Ein Requiem (2018) sowie Heimwärts (2024) und die Lyrikbände Aller Ding (2003), Offene Unruh: 100 Liebesgedichte (2010) und Chora (2023). Darüber hinaus ist Michael Lentz Verfasser zahlreicher Hörspiele und widmet sich als Herausgeber u.a. Werken von Franz Mon, Ror Wolf, Oskar Pastior und Helga M. Novak.

Für sein bisheriges Werk erhielt er zahlreiche Preise, u.a. den Preis der Literaturhäuser (2005), den Walter-Hasenclever-Literaturpreis (2012), sowie Stipendien in der Casa Baldi, der Villa Aurora und dem Künstlerhaus Villa Waldberta.