Heinrich Detering & Frederike Felcht

Blick zurück: Hans Christian Andersen, der unbekannte Bekannte

19:30

»Weit draußen im Meere ist das Wasser so blau wie die Blütenblätter der schönsten Kornblume, und so klar wie das reinste Glas, aber es ist dort sehr tief, tiefer als irgendein Ankertau reicht, viele Kirchtürme müssten aufeinandergestellt werden, um vom Grunde bis über das Wasser zu reicher. Dort unten wohnt das Meervolk.«

 

Die kleine Meerfrau, Der standhafte Zinnsoldat und Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern sind nur ein kleiner Teil von Hans Christian Andersens umfangreichem Schaffen, dessen kinderliterarischer und populärkultureller Einfluss ungebrochen ist. In seinen Märchen und Geschichten treten Menschen, Dinge, Tiere und Pflanzen gleichberechtigt in Aktion. Ihre Schauplätze reichen von der Tiefsee bis in die Wolken und vom Nordpol bis in die Wüste. Sie variieren in Tonfall und Umfang, sind teils spritzig und witzig, teils pathetisch und sentimental – und bei jedem Lesen überraschend anders.

Das Gespräch zwischen Heinrich Detering und Frederike Felcht wird neue Perspektiven auf bekannte und auch weniger bekannte Märchen und Geschichten Hans Christian Andersens vorstellen. Dabei zeigen die beiden, wie Andersen literarische Formen entwickelte, deren Bedeutung oft unterschätzt wird, wenn man seine Texte als Kinderliteratur liest, und wie er Themen aufgreift, die an Aktualität nicht verloren haben: ökologische Beziehungen, soziale Ungleichheit und die Frage, was Kindsein eigentlich heißt.

 

Lesung: Yannick Sturm

In Kooperation mit dem Institut für Skandinavistik der Goethe-Universität Frankfurt sowie dem dänischen Forschungsministerium.

Heinrich Detering / Frederike Felcht
© privat / Jürgen Lecher, Goethe-Universität

Heinrich Detering, geboren 1959 in Neumünster, ist einer der renommiertesten Literaturwissenschaftler im deutschsprachigen Raum, zudem Lyriker, Literaturkritiker, Herausgeber und Übersetzer. Neben zahlreichen internationalen Gastprofessuren war er bis zu seiner Emeritierung Professor für Neuere deutsche Literatur und Vergleichende Literaturwissenschaft in Göttingen und von 2011 bis 2017 Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Anfang der 1990er veröffentlichte er seine international einflussreichen Studien zu homoerotischer Camouflage bei Andersen und hat fortlaufend zu Andersen geforscht sowie zahlreiche seiner Texte herausgegeben, kommentiert und ins Deutsche übertragen.

Frederike Felcht, geboren 1982 in Köln, ist Professorin für Neuere Skandinavische Literatur und Kultur an der Goethe-Universität Frankfurt. In Grenzüberschreitende Geschichten. H.C. Andersens Texte aus globaler Perspektive (2013) folgte sie den in Andersens Texten auftretenden Dingen und ihren weltumspannenden Bewegungen und den sich daraus ergebenden Verstrickungen von Menschen mit ihren materiellen Umwelten. Aktuell interessiert sie sich für die Rolle von Ökologie und Armut in Andersens Werk.

Yannick Sturm studiert Schauspiel an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt.