Während der Vater von Deniz Ohdes Erzählerin in Streulicht Aluminiumbleche in einem Industriepark beizt, schuftet an einem anderen Ort in einem anderen Buch Hüseyin in einer Metallfabrik. Und als Hüseyin sich nach dreißig Jahren harter Arbeit endlich seinen Traum erfüllen und eine Istanbuler Eigentumswohnung beziehen kann, stirbt er am Umzugstag an einem Herzinfarkt. So beginnt Fatma Aydemirs gefeierter Roman Dschinns.
Anders als bei Deniz Ohde, wo wir ausschließlich der einzelgängerischen Erzählerin folgen, erzählt Fatma Aydemir aus der Perspektive von höchst verschiedenen Familienmitgliedern, die zu Hüseyins Beerdigung anreisen und sich neu orientieren müssen. Doch so unterschiedlich die beiden Romane auch sind – die Themen, die verhandelt werden, sind dieselben. Es geht um Chancengleichheit, Identität und transgenerationalen Traumata – und beide Romane verhandeln diese Themen vor dem erzählerischen Hintergrund der 90er Jahre, die heute so gerne nostalgisch verklärt werden.
Gemeinsam mit den Autorinnen wollen wir die Verbindungslinien von Dschinns und Streulicht nachzeichnen und fragen, welche Rolle die migrantische Herkunftsgeschichte der eigenen Familie spielt, wenn man selbst in Deutschland geboren ist.
Fatma Aydemir wurde 1986 in Karlsruhe geboren. Sie lebt in Berlin und ist Kolumnistin und Redakteurin bei der taz. 2017 erschien ihr Debütroman Ellbogen, für den sie den Klaus-Michael-Kühne-Preis und den Franz-Hessel-Preis erhielt. 2019 war sie gemeinsam mit Hengameh Yaghoobifarah Herausgeberin der Anthologie Eure Heimat ist unser Albtraum. Ihr zweiter Roman Dschinns wurde mit dem Robert-Gernhardt-Preis ausgezeichnet.
Deniz Ohde, geboren 1988 in Frankfurt am Main, studierte Germanistik in Leipzig, wo sie heute auch lebt. Für ihren Debütroman Streulicht, der auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, wurde sie mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung und dem aspekte-Literaturpreis 2020 ausgezeichnet.