Yannic Han Biao Federer

»Für immer seh ich dich wieder«

19:30

»Später sage ich, ich muss dir etwas sagen, es ist schlimm, ich kann es nicht lassen, was denn, sagt sie, ich sage, ich habe immerzu diese Literaturstimme im Ohr, die beschreibt, was passiert, es ist wie ein Radio im Hypothalamus, das quasselt und schwatzt, als wäre das hier Recherche, als wäre das hier für einen Text, aber das ist kein Text, das ist wirklich, das ist echt, das ist mein kleiner Sohn, der tot ist, und –, sie schüttelt den Kopf, natürlich schreibst du über Gustav, bist du verrückt, natürlich schreibst du über ihn.«

 

Charlotte und Yannic bereiten sich auf die Geburt ihres ersten Kindes und das Leben als junge Eltern vor, da passiert das Unglaubliche: Ihr Sohn Gustav Tian Ming stirbt an einer seltenen Komplikation, noch bevor er das Licht der Welt erblicken durfte. Und mit einem Mal muss sich das Paar, statt online nach Wickeltischen zu recherchieren, für einen Kindersarg entscheiden. Während sich die beiden noch ganz betäubt vom Schmerz mit bürokratischen Vorgängen auseinandersetzen müssen, in denen das Schicksal totgeborener Kinder nicht vorgesehen zu sein scheint, reisen Familienmitglieder und Freunde an, nehmen Anteil, schreiben Nachrichten voller Fassungslosigkeit und Hilfsangeboten. Und während die Welt sich so beharrlich weigert, still zu stehen, gibt Yannics innere Stimme keine Ruhe. Es gibt keine andere Möglichkeit: Er muss aufschreiben, was um ihn herum passiert.

Mit eindrucksvoller und schonungsloser Genauigkeit erzählt Yannic Han Biao Federer in Für immer seh ich dich wieder von der lähmenden Kraft eines Schicksalsschlags, von der unbegreiflichen Trauer um so viel Versäumtes und von der lindernden Kraft des Erzählens selbst. Vor allem aber geht es in diesem Buch um Liebe – um die Liebe zwischen Charlotte und Yannic und ihrer gemeinsamen Liebe zu ihrem Sohn Gustav Tian Ming.

 

Moderation: Christian Dinger

Yannic Han Biao Federer
© Heike Steinweg

Yannic Han Biao Federer lebt und arbeitet als freier Autor in Köln. Er schreibt Romane und Erzählungen, Essays und Rezensionen, u. a. für Deutschlandfunk, WDR und SWR. Er ist Mitglied des PEN Berlin sowie des Jungen Kollegs in der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Er erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, zuletzt den Bayern 2-Wortspiele-Literaturpreis und den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen 2022.