»Wenn mich Freunde oder Bekannte nach Linn fragten, wie es ihr ging oder was sie beruflich machte, musste ich darauf achten, nicht in diesen Ton zu verfallen, selbstzufrieden.«
Annett könnte nicht stolzer sein auf ihre Tochter Linn. Während sie selbst, Bibliothekarin, Ende 40, auf der kleinen Halbinsel in der Nähe von Husum seit vielen Jahren ein zunehmend zurückgezogenes Leben führt, hat es Linn direkt nach dem Abitur in die Welt gezogen, um sich im Umweltschutz zu engagieren – ein Leben, denkt Annett, das Hoffnung und Sinn zu stiften vermag. Doch dann bricht Linn bei einem Vortrag zusammen. Annett holt sie zurück ins Haus der Kindheit, eine Woche nur, sagen sich die beiden, zur Erholung. Linns Erschöpfung aber ist so umfassend, dass aus dieser einen Woche Monate werden, in denen die beiden Frauen sich schließlich neu kennenlernen und alte Konflikte aufarbeiten müssen.
In Halbinsel hat Kristine Bilkau verfeinert, was ihr bisheriges Werk ausmacht und was vielleicht als Ästhetik der Behutsamkeit bezeichnet werden kann: Mit großer Geduld und Zartheit nähert sie sich ihren Figuren, um vorsichtig Schicht für Schicht ihres Menschseins freizulegen. Wie derzeit kaum einer anderen Stimme gelingt es ihr dabei einmal mehr, sensible Figurenportraits mit den wichtigen Fragen unserer Gegenwart zusammenzuführen.
Moderation: Björn Jager
Kristine Bilkau, 1974 geboren, zählt zu den wichtigen Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur. Sie studierte Geschichte und Amerikanistik in Hamburg und New Orleans. Bereits ihr Romandebüt Die Glücklichen fand ein begeistertes Medienecho, wurde mit dem Franz-Tumler-Preis, dem Klaus-Michael-Kühne-Preis und dem Hamburger Förderpreis für Literatur ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt. Mit ihrem Roman Nebenan stand sie 2022 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, mit Halbinsel gewann sie 2025 den Preis der Leipziger Buchmesse. Kristine Bilkau lebt mit ihrer Familie in Hamburg.