Flucht traumatisiert nicht nur diejenigen, die ihre Heimat verlassen müssen. Sie schlägt auch Wunden in der Peripherie: bei den Zurückgelassenen genauso wie bei jenen, die helfen wollen und sich dem erlebten Leid nicht entziehen können.
In ihrem Debüt Über den Fluss erzählt Theresa Pleitner von einer jungen Psychologin, die eine Stelle in einem Aufnahmelager in Deutschland annimmt. Dort sieht sie, die helfen will, sich nicht nur mit den albtraumhaften Geschichten der Bewohner konfrontiert, sondern auch mit einem kafkaesken Bürokratiesystem, in dem es nur Verlierer geben kann.
Susanne Gregor folgt dem Geschwisterpaar Alan und Miša in Wir werden fliegen über mehr als ein Jahrzehnt. Während Alan mit fast neurotischer Strebsamkeit Arzt wird und Miša ziellos durch ihr Leben driftet, versuchen ihre Eltern, einfach nur Fuß zu fassen in einem neuen Leben in Wien, nachdem sie kurz nach der Wende aus der Tschechoslowakei übergesiedelt sind. Den Schmerzpunkt der Familie bildet aber etwas anderes: Alan nämlich war bereits kurz vor der Wende geflohen, ohne sein Umfeld zu informieren, und die Nachwirkungen dieses Traumas bestimmen das Leben der Familie.
Moderation: Björn Jager
Mit freundlicher Unterstützung durch Neustart Kultur.
Theresa Pleitner, geboren 1991, studierte literarisches Schreiben und Psychologie in Heidelberg, Leipzig und Berlin. Sie arbeitete als Psychologin in einer Unterkunft für Geflüchtete sowie einer psychosomatischen Klinik und behandelt aktuell ambulant Patient*innen. Sie war Stipendiatin des Klagenfurter Literaturkurses und des Irseer Pegasus. Über den Fluss ist ihr erster Roman, für dessen unveröffentlichtes Manuskript sie mit dem Retzhof-Preis für junge Literatur ausgezeichnet und für den Amadeu-Antonio-Preis nominiert wurde.
Susanne Gregor, 1981 in Žilina (Tschechoslowakei) geboren, zog 1990 mit ihrer Familie nach Oberösterreich. Nach dem Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg lehrte sie ein Jahr lang an der University of New Orleans. Seit 2005 wohnt Gregor in Wien, wo sie Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. 2009 gewann sie den Förderpreis des Hohenemser Literaturpreises und 2010 den ersten Preis der exil-literaturpreise. 2011 erschien ihr Debütroman Kein eigener Ort, es folgten weitere Romane und ein Erzählband, zuletzt 2019 Das letzte rote Jahr.