Lize Spit

»Autobiographie meines Körpers«

19:30

»In den Sekunden nach dieser Mail muss Folgendes geschehen: Die gepunktete Linie muss festgelegt werden. Ich bin keine Tochter, die eine Mail liest, ich bin die Schriftstellerin, die die Tochter dabei beobachtet, wie sie die Mail liest.
Welche Details ringsum muss ich abspeichern, um diesen Moment später gut beschreiben zu können?«

 

Ende 2021 erhalten Lize Spit und ihre Geschwister eine E-Mail ihrer Mutter: Sie sei an Krebs erkrankt, wahrscheinlich unheilbar, im Übrigen werde sie sich scheiden lassen. Was in seiner Beiläufigkeit fast schon grotesk komisch wirkt, birgt in Wahrheit immense Tragik. Denn Spits Kindheit mag von außen betrachtet ausgesehen haben wie ein typisches Heranwachsen in einem belgischen Dorf in den 90ern. Doch ihre Mutter ist alkoholkrank, ihr Vater unberechenbar. Lizes Leben ist geprägt von Scham, Unsicherheit und Sprachlosigkeit - dass die Mutter ihre Diagnose per Mail verschickt, ist nur eine weitere Facette einer Beziehung, in der das Schweigen sich etabliert hat als vorherrschende Form der Kommunikation. Nun, wo den beiden nicht mehr viel Zeit bleibt, unternimmt Lize noch einen Versuch, eine Verbindung aufzubauen.

In Autobiographie meines Körpers dokumentiert Lize Spit unerschrocken die letzte Lebensphase ihrer Mutter. Schonungslos und verletzlich wendet sie sich dem sterbenden Körper zu, nicht zuletzt auch, um ihren eigenen zu verstehen. Denn die zerstörerischen Muster der Elterngeneration setzen sich ihrem Körper fort, der sie immer wieder im Stich lässt. 

Moderation: Malu Schrader

Lesung der dt. Texte: Viola Pobitschka

Lize Spit
© Carmen de Vos

Lize Spit wurde 1988 geboren und lebt in Brüssel. Ihr Debüt Het smilt (deutscher Titel: Und es schmilzt) stand ab 2016 ein Jahr lang auf Platz 1 der belgischen Bestsellerliste, gewann zahlreiche Literaturpreise und wurde in 15 Sprachen übersetzt. Die anschließenden Romane Ich bin nicht da (2022) und Der ehrliche Finder (2024) erschienen in deutscher Übersetzung bei S. Fischer und konnten in und außerhalb von Belgien an ihren bisherigen Erfolg anschließen. Autobiografie meines Körpers ist ihr neuester Roman.

Malu Schrader arbeitet neben ihrer Anstellung in einer Frankfurter Buchhandlung für Kinder- und Jugendbücher als freie Lektorin, Kulturjournalistin und Moderatorin. Ihre Leidenschaft gilt der japanischen und niederländischsprachigen Literatur.

Viola Pobitschka ist Film- und Theaterschauspielerin sowie Sprecherin für Hörbücher und Hörspielproduktionen. Mit ihrer Familie lebt sie in Frankfurt am Main.