Jun 2023
Es gibt Themen, die gelten als wenig literaturfähig. Haushaltstätigkeiten zum Beispiel. Kochen, Backen, Küche putzen – das ist kein Stoff für Romane. Shirley Jackson hat diese irrige Annahme schon 1953 als solche entlarvt, als ihr autobiographischer Roman erschien, der in der Übersetzung von Nicole Seifert den Titel Krawall & Kekse trägt. Darin erzählt die für ihre Horrorgeschichten bekannte Autorin von ihrem Leben als Ehefrau und Mutter von vier Kindern in einem baufälligen Haus in Vermont und dem Wahnsinn des Alltags, der immer kurz davor ist, ins Unheimliche zu kippen.
Vom Amerika der 50er Jahre geht es mit Teresa Präauers Roman Kochen im falschen Jahrhundert ins Neobürgertum europäischer Mittvierziger: ein geselliger Abend zwischen Crémantflaschen und dänischem Küchendesign. Man unterhält sich über die Dinge, die einen umgeben, hat das Rauchen aufgegeben und fliegt auch nicht mehr – bis auf das eine Mal nach Singapur. Dabei schafft es Präauer wie vor ihr vielleicht nur Shirley Jackson, anhand der vermeintlichen Banalitäten des Alltags die Geschichte einer ganzen Generation zu erzählen.
Moderation: Christian Dinger
Mit freundlicher Unterstützung durch Neustart Kultur.
Eintritt: 5,-/8,-/12,- (pay as you wish)
Teresa Präauer wurde 1979 geboren und hat Germanistik und Malerei in Berlin und Salzburg studiert. Für ihren Debütroman Für den Herrscher aus Übersee erhielt sie 2012 den aspekte-Literaturpreis. Für ihre weiteren Romane und Essays wurde sie vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Erich-Fried-Preis 2017.
Nicole Seifert studierte nach einer Verlagslehre Amerikanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft in Berlin, wo sie 2006 auch promoviert wurde. Seit 2006 arbeitet sie als Übersetzerin aus dem Englischen (u.a. Sarah Moss) und Autorin. Zuletzt erschien 2021 Frauenliteratur. Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt.
Bild Seifert: © Zita Bereuter
Bild Präauer: © Martin Stöbich
***Die Veranstaltung ist bereits ausverkauft!***
Das Werk Peter Kurzecks ist einzigartig in der deutschen Nachkriegsliteratur. Kurzeck habe das eigene Leben zum Gegenstand eines literarischen Projekts von Proust’scher Dimension gemacht, schrieb 2013 Christoph Schröder in seinem Nachruf auf den kurz zuvor verstorbenen Schriftsteller.
Anlässlich des 80. Geburtstages Peter Kurzecks wollen Weggefährtinnen und Freunde, Kollegen und Bewunderer auf dieses Leben zurückblicken. Zu Gast sind seine Übersetzerin Cécile Wajsbrot, die Verleger KD Wolff und Klaus Sander, sowie Bianca Döring, Andreas Maier und Harry Oberländer. Gemeinsam machen sie das, was Peter Kurzeck am besten konnte: erzählen. Über persönliche Begegnungen, über seine Texte und nicht zuletzt darüber, wie sie selbst von diesen Texten beeinflusst wurden. Und am Ende? Feiern wir diesen Geburtstag.
Moderation: Beate Tröger
Eine Kooperation mit der Peter-Kurzeck-Gesellschaft e.V.
Eintritt: 5,-/8,-/12,- (pay as you wish)
Cecile Wajsbrot wurde 1954 in Paris geboren. Sie studierte Literaturwissenschaften und arbeitete anschließend als Französischlehrerin und Rundfunkredakteurin. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin und Übersetzerin in Paris und Berlin.
KD (Karl Dietrich) Wolff, geboren 1943, machte sich als Verleger von historisch-kritischen Editionen einen Namen. Während seines Jurastudiums u.a. in Frankfurt am Main engagierte er sich in der Studentenbewegung. In den Siebzigern gründete KD Wolff den Stroemfeld Verlag, in dem über viele Jahre die Bücher von Peter Kurzeck erschienen sind.
Klaus Sander, 1968 in Westfalen geboren, studierte Medien- und Literaturwissenschaften in Köln und Bochum. Für die Veröffentlichung von Vilém Flussers letztem erhaltenen Tondokument gründete er 1996 seinen Hörbuchverlag supposé. Sander lebt in Berlin.
Bianca Döring wurde 1957 in Schlitz/Vogelsberg geboren und lebt heute als freiberufliche Schriftstellerin und Gesangspädagogin in Berlin. Ihre künstlerischen Tätigkeiten führten sie auch in die Bereiche Theater, Performance, und Malerei. Zuletzt erschien 2021 ihr Lyrikband Schalen bei PalmArtPress Berlin.
Andreas Maier, 1967 im hessischen Bad Nauheim geboren, studierte Philosophie und Germanistik, anschließend Altphilologie. Er erhielt zahlreiche Preise und Stipendien. Zuletzt erschien im Frühjahr 2023 sein Roman Die Heimat im Suhrkamp Verlag.
Harry Oberländer, geboren 1950 in Bad Karlshafen, lebt als freier Schriftsteller und Journalist in Frankfurt am Main. Von 2010 bis 2016 war er Leiter des Hessischen Literaturforums und Herausgeber der Literaturzeitschrift L. Der Literaturbote.
Bild: © Erika Schmied
Die Königin ist tot, lang lebe die Königin! Bei der Beerdigung der Großmutter kommen sie alle wieder zusammen: die Mütter, Töchter und Enkelinnen, die gemeinsam das märchenhafte Anwesen der Verstorbenen bewohnt haben. Der Geist der alten Frau, die mit harter Hand regiert hat, schwebt jedoch noch über allem. Und Luise, von der Großmutter einst zur Erbin erkoren, beginnt sich zu erinnern: an verschwundene Männer, ertrunkene Frauen und Familiengeheimnisse.
Männer sterben bei uns nicht erzählt von einer Schicksalsgemeinschaft, die sich nie aus dem Gravitationsfeld einer Patriarchin lösen konnte. Annika Reich gelingt es spielerisch, ein fast schon märchenhaftes Setting mit Humor und Scharfzüngigkeit zu verbinden und gleichzeitig politische Fragen zu stellen: Denn der Roman handelt nicht nur von Schuld und Scham, sondern auch von der Komplexität von Machtstrukturen.
Moderation: Björn Jager
Eintritt: 5,-/8,-/12,- (pay as you wish)
Annika Reich, 1973 in München geboren, lebt in Berlin, ist Schriftstellerin und Künstlerische Leiterin des Aktionsbündnisses WIR MACHEN DAS und WEITER SCHREIBEN, des preisgekrönten Portals für Autor:innen aus Kriegs- und Krisengebieten. Sie ist Teil der Zeit-Online-Kolumne 10 nach 8. Bei Hanser erschienen die Romane Durch den Wind (2010), 34 Meter über dem Meer (2012), Die Nächte auf ihrer Seite (2015) und ihre Kinderbücher Lotto macht, was sie will! (2016) und Lotto will was werden (2018).
Bild: © Paula Winkler
Flucht traumatisiert nicht nur diejenigen, die ihre Heimat verlassen müssen. Sie schlägt auch Wunden in der Peripherie: bei den Zurückgelassenen genauso wie bei jenen, die helfen wollen und sich dem erlebten Leid nicht entziehen können.
In ihrem Debüt Über den Fluss erzählt Theresa Pleitner von einer jungen Psychologin, die eine Stelle in einem Aufnahmelager in Deutschland annimmt. Dort sieht sie, die helfen will, sich nicht nur mit den albtraumhaften Geschichten der Bewohner konfrontiert, sondern auch mit einem kafkaesken Bürokratiesystem, in dem es nur Verlierer geben kann.
Susanne Gregor folgt dem Geschwisterpaar Alan und Miša in Wir werden fliegen über mehr als ein Jahrzehnt. Während Alan mit fast neurotischer Strebsamkeit Arzt wird und Miša ziellos durch ihr Leben driftet, versuchen ihre Eltern, einfach nur Fuß zu fassen in einem neuen Leben in Wien, nachdem sie kurz nach der Wende aus der Tschechoslowakei übergesiedelt sind. Den Schmerzpunkt der Familie bildet aber etwas anderes: Alan nämlich war bereits kurz vor der Wende geflohen, ohne sein Umfeld zu informieren, und die Nachwirkungen dieses Traumas bestimmen das Leben der Familie.
Moderation: Björn Jager
Mit freundlicher Unterstützung durch Neustart Kultur.
Eintritt: 5,-/8,-/12,- (pay as you wish)
Theresa Pleitner, geboren 1991, studierte literarisches Schreiben und Psychologie in Heidelberg, Leipzig und Berlin. Sie arbeitete als Psychologin in einer Unterkunft für Geflüchtete sowie einer psychosomatischen Klinik und behandelt aktuell ambulant Patient*innen. Sie war Stipendiatin des Klagenfurter Literaturkurses und des Irseer Pegasus. Über den Fluss ist ihr erster Roman, für dessen unveröffentlichtes Manuskript sie mit dem Retzhof-Preis für junge Literatur ausgezeichnet und für den Amadeu-Antonio-Preis nominiert wurde.
Susanne Gregor, 1981 in Žilina (Tschechoslowakei) geboren, zog 1990 mit ihrer Familie nach Oberösterreich. Nach dem Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg lehrte sie ein Jahr lang an der University of New Orleans. Seit 2005 wohnt Gregor in Wien, wo sie Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. 2009 gewann sie den Förderpreis des Hohenemser Literaturpreises und 2010 den ersten Preis der exil-literaturpreise. 2011 erschien ihr Debütroman Kein eigener Ort, es folgten weitere Romane und ein Erzählband, zuletzt 2019 Das letzte rote Jahr.
Bild Pleitner: © Andreas Labes
Bild Gregor: © Barabara Wirl
2020 konstatierte der Global Risks Report des Weltwirtschaftsforums, dass es sich zum ersten Mal bei den fünf größten Risiken für die Menschheit, gemessen an der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens, um Umweltkrisen handelt. Die Klimakrise ist aber auch eine psychologische Krise: Extremwetterereignisse, Hitze, Luftverschmutzung, Verlust von Biodiversität und natürlich der Verlust von Zukunft setzen uns sowohl physisch als auch psychisch zu. Die Bandbreite an emotionalen Reaktionen ist enorm: Angefangen bei Angst, Trauer und Schuldgefühlen, über Verdrängung, Ignoranz und Wut bis hin zu Akzeptanz, Resilienz und radikaler Hoffnung. Was aber tun mit diesen Gefühlen? Welche Wechselwirkungen zwischen Individuum und Gesellschaft entfalten sie? In welche Formen des Aktivismus werden sie transformiert? Und wie kann zwischen verhärteten Fronten kommuniziert werden? Mit Katharina van Bronswijk, Samuel Kramer und Esther Fryns vom KoalaKollektiv wollen wir dieses Spektrum ausloten.
Die Psychologin und Sprecherin der Psychologists for Future Katharina van Bronswijk nimmt in ihrem Buch „Klima im Kopf. Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit uns macht“ die komplexen Zusammenhänge zwischen Klimakrise und psychischer Gesundheit in den Fokus und gibt einen Ausblick, wie wir Klima-Emotionen als Kraft für Veränderung nutzen können. Der Philosoph und Slam-Poet Samuel Kramer hat sich nicht nur in seinem Studium und seiner Spoken Word Poetry mit Umwelt- und Klima-Themen beschäftigt, sondern ist auch selber Aktivist. Das KoalaKollektiv ist eine Frankfurter Aktivist*innen-Gruppe, deren Kampagnen-Fokus vor allem auf der Finanzindustrie liegt.
Moderation: Franziska Schaden und Convin Splettsen
Im Anschluss an das Podiumsgespräch legt DJ ellionelli zum gemeinsamen Bar-Abend auf.
Eine Veranstaltung des Kurses Kulturmanagement 2023 der Buch- und Medienpraxis an der Goethe-Universität Frankfurt am Main unter der Leitung von Silke Hartmann in Kooperation mit dem Hessischen Literaturforum im Mousonturm und dem Museum für Kommunikation Frankfurt.
Eintritt: 5,- / 8,- / 12,- (pay as you wish/Bezahlung nach eigenem Ermessen)
Ort: Museum für Kommunikation Frankfurt, Schaumainkai 53, 60596 Frankfurt am Main
Katharina van Bronswijk ist als Sprecherin der Psychologists and Psychotherapists for Future mit den komplexen Zusammenhängen von Umweltkrisen und psychischen Gesundheit vertraut und gibt regelmäßig Vorträge und Interviews. Sie ist Psychologin und Verhaltenstherapeutin und seit 2009 im Klimaschutz aktiv, unter anderem bei Greenpeace. Sie betreibt eine eigene Praxis.
Samuel Kramer ist Germanist und studiert Philosophie mit Schwerpunkt Umwelt- und Tier-Philosophie. Er ist Slam-Poet, Lyriker und Spoken Word Künstler. In seinen Texten und Performances beschäftigt er sich mit der Zerstörung planetarer Lebensgrundlagen. 2020 erschien seine Anthologie „Poetry for Future. 45 Texte für Übermorgen“. Als Aktivist arbeitet er mit Organisationen wie Fridays for Future, Extinction Rebellion und GermanZero zusammen.
Das KoalaKollektiv hat sich 2020 in Frankfurt am Main gegründet. Die Aktionen der Gruppe zielen vor allem auf Klima-Gerechtigkeit und richten sich vornehmlich an die Finanzindustrie. Neben Aktionen in der Stadt veranstaltet das Kollektiv regelmäßig die KlimaKneipe und lädt dazu prominente Vertreter*innen aus der Klima-Bewegung, wie etwa Luisa Neubauer, ein.
Ellionelli ist DJ und Fotografin und trat mit fünfzehn Jahren in die Welt der elektronischen Musik ein, in der sie bis heute lebt und sich ausdrückt. Ihren Klangteppich aus melodischem House verwebt sie geschickt mit Disco und Trance-Elementen. Außerdem engagiert sie sich im gemeinnützigen YouGen Verein, der sich für die Förderung von Kunst und Kultur im Raum Dreieich einsetzt.
Buch- und Medienpraxis sind Yolande Belrose, Lisa Berger, Julia Damer, Luise Ernst, Anahita Estiri, Shanay Ferrara, Emma Feuerbacher, Vincenz Hagen, René Hanauer, Sophia Höhny, Victor Ibarra Becerra, Michèle Kohls, Anke Langendörfer, Greta Pralle, Patricia Rocha Dias, Jasmin Roth, Franziska Schaden, Marina Schilke, Sarah Schlachte, Anita Schmidt, Mariel Schwindt, Elisabeth Smat, Convin Splettsen, Vivian Wolfarth.