Marlene Streeruwitz

»Auflösungen«

19:30

»Sie schaute hinaus. Sie war in den USA. Sie seufzte. Das war so ein losgelöster Zustand. In den USA sein. Anders als in Paris oder in Berlin. Hier. Nichts forderte ihre eine Beurteilung ab. Hier. Sie konnte alles anschauen, ohne Stellung nehmen zu müssen.«

 

»Wir können nur konstatieren, was ja immer der Fall ist: dass wir nie genug Sprache haben«, sagt Marlene Streeruwitz in einem Gespräch mit der Essayistin Asal Dardan. Gegen diesen Umstand schreibt die österreichische Autorin seit den frühen 1990er Jahren an – radikal, leidenschaftlich, streitbar. Tritt sie zunächst mit Theaterstücken an die Öffentlichkeit, rückt mit dem Romandebüt Verführungen 1996 zunehmend Prosa in den Mittelpunkt von Streeruwitz’ künstlerischem Schaffen, in dem zwei Themenblöcke die intensivste Auseinandersetzung erfahren: das steile Machtgefälle zwischen Mann und Frau sowie die politischen Verhältnisse und Kontinuitätslinien seit dem Nationalsozialismus. Immer im Fokus dabei der Versuch, eben doch eine Sprache zu finden, die diesen gesellschaftlichen Zumutungen etwas entgegenzusetzen weiß.

Anlässlich ihres anstehenden 75. Geburtstages wollen wir einen Blick zurückwerfen auf ein Werk, das sich seit vielen Jahrzehnten durch seine unbeirrbare Haltung für Demokratie und Freiheit auszeichnet, ohne dabei ästhetische und poetologische Maßstäbe zu opfern. Im Mittelpunkt steht dabei Marlene Streeruwitz’ neuester Roman Auflösungen, der von der Wiener Lyrikerin Nina erzählt, die kurz vor Trumps Wiederwahl für ein Semester Gastdozentin in New York ist und Zeugin davon wird, wie die politischen Strukturen das kulturelle Leben zerstören.

 

Moderation: Jan Wilm

Mit freundlicher Unterstützung durch den Verlag S. Fischer.

Marlene Streeruwitz
© Mafalda Rakos

Marlene Streeruwitz, in Baden bei Wien geboren, studierte Slawistik und Kunstgeschichte und begann als Regisseurin und Autorin von Theaterstücken und Hörspielen. Für ihre Romane erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter zuletzt den Bremer Literaturpreis und den Preis der Literaturhäuser. Ihr Roman Die Schmerzmacherin stand 2011 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschienen der Roman Flammenwand (Longlist Deutscher Buchpreis 2019), die Breitbach-Poetikvorlesung Geschlecht. Zahl. Fall. (2021), der Roman Tage im Mai (2023) sowie die Bände Handbuch für die Liebe und Handbuch gegen den Krieg (2024). 

Jan Wilm ist Autor, Übersetzer und Literaturkritiker. 2016 erschien von ihm das Buch The Slow Philosophy of J. M. Coetzee, 2019 der Roman Winterjahrbuch.