Tobi – eigentlich Tao, aber außer seiner Ex-Freundin nennt ihn niemals jemand bei seinem richtigen Namen – versucht seiner Trauer zu entkommen, nachdem Miriam ihn verlassen hat. Doch auf seiner Reise durch Europa rückt ein viel älterer Schmerz in seinen Fokus: Das Verschwinden und der Tod seines Vaters in Hongkong, wo dieser sich befand, um nach den eigenen Wurzeln zu suchen.
Ellen wiederum reist nach Togo. Eigentlich soll sie dort als Mitarbeiterin einer Studie über Migrationsursachen forschen, stattdessen aber beginnt eine intensive Auseinandersetzung mit Geschichte: Immer wieder sieht sich Ellen mit den Folgen des deutschen Kolonialismus konfrontiert, bis sie sich schließlich ebenfalls der eigenen Geschichte zuwendet – denn da gab es nicht nur einen Onkel, der aus ominösen Gründen reich aus Nigeria zurückkehrte, sondern auch ihre Schwarze Urgroßmutter, die einst mit ihrem Vater aus Panama nach Deutschland kam.
Weiße Flecken und Tao – die jeweils zweiten Romane von Lene Albrecht und Yannic Han Biao Federer – handeln auf den ersten Blick von der Suche nach der eigenen Herkunft. Doch gleichzeitig gehen sie einen entscheidenden Schritt weiter: Denn mehr und mehr rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie sich überhaupt literarisch von der Vergangenheit erzählen lässt, von der eigenen wie der politischen.
Moderation: Björn Jager
Lene Albrecht, geboren 1986 in Berlin, studierte Kulturwissenschaften in Frankfurt (Oder) und am Literaturinstitut Leipzig. 2019 erschien ihr Debütroman Wir, im Fenster. Für die Arbeit an Weiße Flecken erhielt sie das Recherchestipendium des Berliner Senats. Als Mitglied des Kollektivs WRITING WITH CARE/RAGE organisierte sie 2021 eine gleichnamige Konferenz zur Frage nach der Vereinbarkeit von Care-Arbeit und Autor*innenschaft. Sie arbeitet als freie Lektorin, Journalistin und Moderatorin.
Yannic Han Biao Federer, geboren 1986, studierte Germanistik und Romanistik in Bonn, Florenz und Oxford. Er erhielt zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen, darunter der 3sat-Preis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur 2019. Er lebt als freier Autor in Köln.