»Am Morgen des 3. September 1938 wachte Hanna schon um halb sechs auf, weil ihr übel war ... Gerade mal 25 und schon das sechste Mal schwanger. Zwei Kinder, eine Fehlgeburt, zwei Abtreibungen und das hier: mal sehen.«
Hanna Krause, geboren kurz vor dem Ersten Weltkrieg in Magdeburg, wo sie aufwächst, heiratet und stirbt, das Kaiserreich erlebt, das Dritte Reich, die DDR und die Wiedervereinigung. Sie ist Blumenbinderin, Putzfrau und Kranführerin, bringt ein halbes Dutzend Kinder auf die Welt und verliert zwei von ihnen im Krieg. Aus ihrer Ehe mit Karl, die als Liebesheirat beginnt und ihren Zauber rasch verliert, wird sie Zeit ihres Lebens das Beste machen. Das ist oft nicht viel, meist aber genug. »Anständig bleiben« ist Hannas Lebensmotto, und mehr als 80 Jahre lang wird sie versuchen, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Schwebende Lasten von Annett Gröschner ist ein erstaunlicher Roman. Auf weniger als 300 Seiten gelingt es ihm, anhand eines einzigen Lebens die Geschichte eines ganzen Jahrhunderts nachzuzeichnen und stellvertretend auch die Geschichten hunderttausender Frauen, die selten zu Wort kommen, weil sie damit beschäftigt sind, die Welt am Laufen zu halten – und anständig zu bleiben.
Moderation: Björn Jager
In Kooperation mit der Ypsilon Buchhandlung.
Annett Gröschner, geboren 1964 in Magdeburg, lebt seit 1983 als Schriftstellerin in Berlin. Bekannt wurde sie vor allem mit ihren Romanen Moskauer Eis (2000) und Walpurgistag (2011). Zuletzt erschien bei Hanser ihr gemeinsam mit Peggy Mädler und Wenke Seemann verfasster Bestseller Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat (2024). Annett Gröschner wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Großen Kunstpreis Berlin (Fontanepreis), dem Klopstock-Preis und dem Mainzer Stadtschreiber Literaturpreis von ZDF, 3sat und der Landeshauptstadt Mainz. Für Schwebende Lasten wurde sie 2025 für den Deutschen Buchpreis nominiert.