Roman Ehrlich

»Videotime«

Roman Ehrlich

19:30

»Alles war immer schon Nachstellung und Abbildung von Erfundenem, von phantastischen oder wahnhaften Vorstellungen.«

Ein namenloser Erzähler kehrt zurück an den Ort seiner Kindheit und Jugend, eine bayerische Kleinstadt. Damals, in den 90ern, markierten die Ausflüge mit dem Vater zu »Videotime« den Höhepunkt der Woche. Nun ist die Videothek längst geschlossen, wie auch die anderen bedeutenden Orte von damals nicht mehr existieren, nicht der Elektroladen, nicht das italienische Restaurant, nicht die Turnhalle. Und auch die Familie des Erzählers ist zerbrochen.

Roman Ehrlichs neuer Roman Videotime ist eine Kindheits-, Familien- und Provinzgeschichte, wie Sie sie noch nie gelesen haben. Denn so scheinbar ziellos, wie der Protagonist sich durch die Heimatstadt treiben lässt und das Aufeinandertreffen mit dem Vater aufschiebt, assoziiert er Filmmotive mit seinen Erinnerungsfetzen, überblendet Gewalt auf Kassette mit der Gewalt zwischen Eltern und Kindern. So wird ein Hallraum geschaffen, der gleichzeitig bundesrepublikanische Realität der Nachwendezeit ist wie auch ein Ort an dieser verzauberten Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsensein, an der Sinnlichkeit und Schrecken aufeinanderprallen und Wirklichkeit und Fiktion verschwimmen. Wer weiß denn schon, ob The Thing nicht längst in einem der Elternkörper steckt?

Moderation: Björn Jager

Roman Ehrlich
© Marco Cassol

Roman Ehrlich, geboren 1983 in Aichach, aufgewachsen in Neuburg an der Donau, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und an der Freien Universität Berlin. Bislang sind von ihm die Bücher Das kalte Jahr, Urwaldgäste, Das Theater des Krieges (mit Michael Disqué) und Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens erschienen. 2020 erschien sein Roman Malé, der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand.