Was ist Horror? Wovor haben wir Angst? Vor dem konkret Monströsen, etwa der sagenhaften Figur des blutdürstigen Vampirfürsten Dracula, oder vor dem nicht fassbar Unheimlichen wie elternlosen Jugendlichen, die mit Kanthölzern auf Menschenjagd gehen? Und welche Rolle spielt das Monströse überhaupt in diesen Erzählungen? Ist es die Metapher einer perspektivlosen Gesellschaft, die Parabel der stetigen Überforderung in einer überschnell gewordenen Welt, sind es die Insignien der Aussichtslosigkeit maroder Systeme? Mit Dana Grigorcea und Philipp Böhm werfen wir einen Blick auf das Spektrum des Unheimlichen und schlagen einen Bogen von den Monsterfiguren, wie wir sie kennen, zum unsichtbaren und schleichenden Horror des Alltäglichen.
Die Schriftstellerin Dana Grigorcea nimmt in ihrem Roman Die nicht sterben transsilvanische Mythen in den Blick und verknüpft die Geschichte des Fürsten Dracula mit dem Porträt einer postkommunistischen Gesellschaft, die ihre besten Zeiten hinter sich hat und in einer Art Zwischenreich der Perspektivlosigkeit gefangen scheint.
Die Geschichten in Philipp Böhms Erzählband Supermilch beschreiben eine unruhige, nervöse Zeit: sie erzählen von der Transformation der Arbeitswelt und der Unmöglichkeit innezuhalten, vom digitalen Alltag und der Ermüdung von der stetigen Selbstoptimierung, von einer unerklärbaren, aber immer präsenten Angst.
Im Anschluss an die Lesung und das Podiumsgespräch wird zum Thema und zum Tanzen aufgelegt.
Eine Veranstaltung des Kurses Kulturmanagement 2022 der Buch- und Medienpraxis an der Goethe-Universität Frankfurt am Main unter der Leitung von Silke Hartmann in Kooperation mit dem Hessischen Literaturforum im Mousonturm und der jugend-kultur-kirche sankt peter.
Dana Grigorcea, geboren 1979 in Bukarest, studierte Germanistik und Nederlandistik. Die Werke der rumänisch-schweizerischen Schriftstellerin, etwa der Roman Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit oder die Novelle Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen, wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem 3sat-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Ihr Roman Die nicht sterben wurde 2021 für den Deutschen Buchpreis nominiert und 2022 mit dem Schweizer Literaturpreis ausgezeichnet. Dana Grigorcea lebt seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Zürich.
Philipp Böhm, geboren 1988 in Ludwigshafen, studierte in Jena und Bremen. Er ist Mitglied der Redaktion des Literatur- und Kulturmagazins metamorphosen, schreibt für die Wochenzeitung Jungle World und arbeitet für das Kreuzberger Literaturhaus Lettrétage. 2014 erhielt er das Bremer Autorenstipendium, sein Debütroman Schellenmann erschien 2019 im Verbrecher Verlag. 2022 folgte der Erzählungsband Supermilch. Philipp Böhm lebt und arbeitet in Berlin.
Buch- und Medienpraxis sind Bela Bärmann, Paula Blömers, Tristan Bortlik, Chiara Eich, Siria Ertel, Saskia Fuckert, Sophie Gawehn, Caroline Geißler, Gabriela Gietl, Simona Härter, Nathalie Hartwig, Janice Herder, Angela Karnoll, Pauline Klink, Céline Krost, Kira Meyer, Katharina Moll, Annika Müller, Marie N’gouan, Linda Reiche, Alina Schunk, Maike Steinbacher, Sophia Stier, Michael Theil, Anne Uhl, Elisabeth Waczek, Georg Weigand, Benedikt Zopes.